Ich öffne meine Augen und blicke in Levis aufmerksames
Gesicht. Er steht in seinen Gitterbett, hält sich an der Reling fest. Wie lange
er mich und uns schon schlafend beobachtet ist schwer zu sagen.
Jetzt will er jedenfalls zu uns, fordert mit hohen
Quietschlauten sein morgendliches Schmuse-Spielen ein, entspannt sich sofort,
als ich ihn aus seinem Bett heraushebe und zwischen unseren Decken wieder
absetze.
Nach einer Stunde, in der wir zunehmende wilder und in größer
werdenden Radien um das Bett herum tollen bestelle ich Frühstück aufs Zimmer.
Obst, Rührei, Orangensaft, Tee und ein bisschen Privatsphäre. Hmmmmm. Levi grabscht mit seinen Händen, was er von unseren Tellern
ergattern kann und versucht, es sich in den Mund zu schieben. Als Markus ihn
später aus seinem Babysitz heraushebt fällt mindestens die Hälfte der Beute zu
Boden. Levis lauter werdendes Mähen besorgt mich erst und erinnert
mich dann daran, dass es Zeit wird, das Zimmer, unser derzeitiges Zuhause zu
verlassen. Raus in die Welt. Was erleben.
Sobald wir aus der Tür heraus sind, schiebt Levi neugierig
seine Nase nach vorne, die Zimmerschlüsselkarte mit beiden Händen fest
umklammert. Also führt Markus geduldig den gesamten Levi zum Sensor im Lift,
hält die Karte davor und drückt das zweite Untergeschoß für den Pool. Levi
drückt noch den 3, 2 und 1. Stock und so dauert es eine Weile, bis wir uns
genüßlich treiben lassen in diesem aus Licht und meterhohem Luftraum
gestalteten Fest für die Sinne.
Danach kommt uns Levis Mittagsschlaf gerade recht. Peking
muß leider noch draußen bleiben.
Nach dem Aufwachen ist bei Levi Hunger angesagt, und auch
wir haben nichts gegen ein gemütliche Session auf der sonnigen
Restauranterrasse unseres Hotels. Von langstieligen Bambussen auf der einen
Seite, durch die das Business- und Shoppingtreiben dieses am Reißbrett
entstandenen Viertels Sanlitun Li gedämpft an unsere Ohren drängt und von
Glasplatten in den unterschiedlichsten Grüntönen auf der anderen Seite begrenzt
teilen wir unser Lunch mit asiatischen und westlichen Geschäftsleuten und
Künstlertypen.
Nachdem Levi von meinem Fisch und Markus Reis gesättigt ist,
krabbelt er los. Begutachtet den langhaarigen asiatischen Kreativen neben uns,
der mit zwei anderen Chinesen irgendetwas diskutiert und sofort einen
begeisterten Schwall chinesischer Worte über Levi ergießt. Der findet das so
toll, dass er sich von dem Typen sogar mit seinen bunt tätowierten Armen
hochheben lässt, um es sich auf dessen gelben Jeans bequem zu machen und
konzentriert der weiteren Unterhaltung zu lauschen. Die Haare der temporären
Nanny sind am Ansatz auf Volumen geföhnt und einige asymmetrisch geschnittenen
Strähnen umrahmen seinen von mit Kajal umrahmten Augen geschmückten Kopf. Auf
seinen Lippen schimmert ein dezenter Roseton. So wie es die jüngeren und sich
jung fühlenden westlich oder einfach progressiver orientierten Asiaten zu
machen scheinen – zumindest ist das mein Eindruck nach dem Studium des
chinesischen Äquivalentes von MTV und der Besucher dieses mit moderner Kunst
geschmückten Hotelrestaurants.
Levi scheint es egal, ob ich ihn im Zugrestaurant füttere,
oder in der Jurte zum Nachmittagsschlaf hinlege, seinen Ball im Holzchalet am
Baikalsee aufblase oder in Peking mit
ihm ins Schwimmbad hüpfe. Solange ich es mache. Und dabei seinen Rhythmus
einhalte.
Und der fordert jetzt die Nähe zu seinen Eltern und den
Aufbruch aus dem Restaurant. Also erkunden wir die brandneue Niketown, das
Wasserspiel aus mindestens 70 Düsen davor, wie es völlig überraschend aus
jeweils 20-30 Düsen an immer anderen Stellen immer andere Wasserfontänen formt.
Schlendern zum Replika Market und staunen darüber, wie direkt neben einem
aufstrebenden Shoppingviertel ein derartiger Markt identische Ware zu einem
Bruchteil des Preises anbieten kann, scheinbar geduldet von den echten Marken?
Versuchen Levi vor den Massen chinesischer Menschen zu schützen, die sich vor
ihn werfen, ihn laut lachend begutachten und abwechselnd in die Wange oder den Fuß zwicken.
Als Levis Kopf auf seine Brust sinkt merke auch ich, dass
ich müde geworden bin und eine Pause brauche. Also setzen wir uns auf das Dach
des Stahlgebäudes, in dem Apple das ipad 2 verkauft und davor fliegende Händler
die Replikaversion, in ein Cafe. Durch den Dunst sind die gegenüberliegenden
Hochhäuser nur schemenhaft zu erkennen. Und auch der Trubel von unten wird
durch die wattige Luft von uns weggetragen.
Als Levi aufwacht und Hunger hat bestellen auch wir etwas zu
essen und merken, wie uns das Essen neue Pläne schmieden läßt. Und zum wiederholten Mal stelle ich überrascht fest, wie gut
auch mir Levis Rhythmus tut.
Beitrag kommentieren
Beitrag kommentieren
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen