Kinder halten einen von meinem eigentlichen Leben ab. Und dass macht tendenziell unglücklich. So hatten es mir mehrere Vertreter der Generation meiner Eltern eingehämmert.Lange wollte ich keine Kinder. So sehr nicht, dass ich nicht einmal den Gedanken an ein mögliches Leben mitt Kindern zuließ. Neinneinneinnein.
Offensichtlich so stark, dass ich erst mit Mitte 30 anfing, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen und durch zu spielen.
Zum Glück.
Vielleicht war ich vorher gefühlt auch zu beschäftigt. Mit dem Suchen, Finden, Hinterfragen und Leben meines Lebens. So dass er mir fast entgangen wäre. Dieser Sohn....Mein Sohn!
Als ich den Gedanken an ein Kind anfing zuzulassen und ihm eigentlich recht aufgeregt und positiv gegenueberstand tauchte eine weitere Hürde auf. Ich hatte es nicht. Dieses drängende klare starke Gefühl. Von dem alle, wirklich alle Frauen berichten, die ich kenne. Nichts. Gar nichts bei Mir. Ich hatte nicht dieses Gefühl, unbedingt Mutter werden zu müssen.
Und nun?
Nach zwei weiteren Jahren des Wartens darauf, dass sich dieses Gefühl vielleicht doch bitte einschleichen moege-denn ohne dieses Gefuehl kann ich ja nicht Mutter werden, zumindest keine gute, richtige - dachte ich, und das quälte mich schon - traf ich eine Entscheidung. Zwei eigentlich.
1. Ich kann auch ohne dieses unabdingbare Gefühl Mutter werden zu müssen eine Mutter werden. Auch eine gute. Es muss nicht falsch sein, ein Kind zu bekommen, nur weil ich nicht das Gefühl habe, ohne Kind nicht mehr leben zu koennen. Diese Erkenntnis war eine enorme Erleichterung!
Und 2. Ich ging verschiedene Phasen meines Lebens durch und stellte fest, dass mein Leben die besten Wendungen genommen hatte, wenn ich mich, immer dann, wenn ich mich nicht entscheiden konnte - und das kam und kommt öfter vor- für die jeweils groessere Veränderung entschieden hatte.
Also: 2. Ab jetzt im Fall von Unsicherheit immer für die groessere Veränderung. Und dann war es auf einmal ganz klar: aus 1 + 2 folgt Babywunsch.
Drei Monate später war er da. Der Punkt, aus dem ein Würmchen, dann ein Gummibärchen, ein Shrimp, ein verschrumpeltes Buendel und nun ein Speedkrabbler geworden ist. Und dann die nächste grosse Verunsicherung: wie will ich, wollen wir zusammen leben, unser Leben gestalten?
Dieses "von nun an ist alles Anders" war mir schon immer suspekt. Ausserdem fand und finde ich mein Leben, wie es war, ja ganz gut. Genial sogar. Und Verzicht war auch noch nie meine Stärke.
Je mehr ich mich umschaute, desto weniger fand ich in meinem Freundes - und Bekanntenkreis und auch sonst nirgendwo Vorbilder. Keine für mich passende Mutterrollen und Familienmodelle.
Den einzigen Hinweis lieferte mir eine Telekom Werbung: ich habe mich für Doppelfreude statt Doppelbelastung entschieden. Klingt gut. Aber: was bedeutet das konkret. Für mich. Und uns?
Die ersten Wochen mit Levi verflogen im Rausch der Glückshormone. Die nächsten Monate mit den Versuchen, Levi in unser Leben zu integrieren. Nannystundenplaene, Jobumstrukturierungen etc etc. Zufriedenheit, absolute Hoehepunkte gepaart mit Zweifeln:
Werde ich Levi gerecht? Und mir? Und Markus?
Jetzt ist Levi 10 Monate alt. Er sagt Mama und Papa. Sitzt am Tisch und isst mit uns. Und versucht mitzureden. Zu laufen. Mit jedem Tag nach der Geburt entfernt sich das Kind mehr von seinen Eltern. Hab ich irgendwo gelesen. Und ich moechte Levi dabei unterstützen und begleiten, sein Ding zu machen. Freiwillig die Nähe zu mir und uns zu suchen. Die Vorstellung, dass wir uns irgendwann nichts zu sagen haben könnten treibt mir die Tränen in die Augen.
Und daher diese Reise.
Ich möchte herausfinden, ob Levi und ich charakterlich so gestrickt sind, dass wir uns, über die klassische Mutter-Sohn-Rolle, also die Versorger-Aufpass-Grossziehrolle, hinausgehend etwas zu sagen haben könnten. Kann da mehr sein, wenn es gut läuft? Hoffentlich....
Und: ich möchte herrausfinden, welche Mutterrolle fuer mich die geeignete ist. Und für Levi. Um diese Zweifel loszuwerden. Die immer mal wieder aufpoppen: mache ich alles richtig? Tut das, was ich mache Levi gut? Werde ich gerecht?
Was sind die Dimensionen, anhand derer ich meine künftige Mutterrolle festmache. Und wie will ich sie ausgestalten?
Und ausserdem möchte ich intensive Zeit mit meinem Sohn, fernab von allen anderen Themen. Job, Freunden, Hobbies...Wie ist das wohl? Und kann ich das? 24 Stunden am Tag. Ohne Unterstützung. Wird das gut gehen? Oder wird es nerven? Mich Oder Levi? Lieben oder hasslieben wir uns hinter her? Wird da nich mehr Nähe sein? Oder etwas mehr Distanz? Gesunde Distanz? Gibt es das überhaupt?
Ich hoffe, die 10.000 km Transsib und die 5 Stationen, an denen wir aussteigen, sind lang genug für dieses Schwergewicht. Und ich hoffe auf hinreichend Leichtigkeit, denn eines ist klar: sowohl die Reise als auch alles, was danach kommt soll Spass machen, Genuss bieten. Halt zu uns und mir passen.
Drückt die Daumen!