Freitag, 14. Oktober 2011

Peking Flughafen – oder: ich dachte die Deutschen seien Organisationstalente


Ein Bus steht vor unserer Jurte. Mit Platz für 20 Personen. Für euer Gepäck lacht Aimee. Dachte der Jeep sei zu unbequem für alles. Statt 45 Minuten rumpeln wir in gemütlichen 90 Minuten zum Flughafen. Abends um 7 statt morgens um 5. Mongolische Pferdehaargeigenmusik begleitet von Kehlkopfgesang dröhnt aus der Musikanlage des Busses. Der Fahrer wackelt mit dem Kopf dazu.
Die Schlange beim Einchecken ist trotzdem noch lang, als wir endlich den Flughafen erreichen. Bei der Einreisekontrolle staut es sich auch. Ich habe Monat und Tag beim Ausreisedatum verwechselt, muss einen neuen Zettel holen, mich erneut anstellen. Das Flugzeug wartet ja. Hoffentlich.

Der Flieger ist brechend voll. Zwischen mir und Levi auf der einen Seite am Fenster und Markus auf der anderen am Gang sitzt ein Mongole. Er hält sein Handgepäck fest umklammert. Der Flieger hat Verspätung. Kurz vor dem Start haben wir dem Mann verständlich machen können, dass es total ok ist, wenn er auf Markus Gangplatz Platz nimmt.
Puh. Als wolle uns die Mongolei nicht loslassen.

Kaum aus dem Flugzeug herausgestiegen falle ich fast über den schlanken Chinesen mit meine Namen auf einem Schild in seiner Hand. Ich nicke ihn an. Er greift einen der zwei Rucksäcke, die Markus schleppt, und rennt los. Wir hinter her. Levi sitzt mit wehenden Haaren im Kinderwagen. Bei den übervollen Einreiseschaltern lotst er uns zum leeren Baby- und Handicapped Schalter, dann vorbei an von Norman Foster gestalteten Glas- Stahlwänden und elektronischen englisch-chinesischen BMW- und Allianzplakaten zur fahrerlosen Metro, die unseren Terminal mit dem Gebäude, in dem unser Gepäck trotz unseres Laufschrittes schon auf uns wartet verbindet. Kleine Verschnaufpause: der nächste Zug kommt in zwei Minuten.

Alles ist weiß, es riecht nach Nichts. Hohe Decken, geräumige Gänge. Ich atme tief durch. Laboratmosphäre. Der Zug fährt ein und weiter geht’s. Die Luft um mich herum  wird wieder eng. Millionen Chinesen drängen in den Zug, der noch nicht einmal steht. Der Masse ist es völlig egal, ob Levis Kinderwagen an der Schwelle zur Bahn hängen bleibt, oder ich müde bin. Und auch ich bin so im Rausch, dass ich nur darauf fokussiere zu funktionieren. Und so funktioniert auch alles: Alle kommen in den Zug, ohne dass sich chaotische Menschenknäule bilden. Und ohne Schwund steigen alle wieder aus. Total faszinierend. Selbst Hindernisse,  langsamere Menschen beispielsweise, wie ich mit Levi, werden schwarmintelligent umschwommen. 
 
Trotz der Menschenmassen ist alles angenehm ruhig. Es wird wenig geredet im Rahmen unserer Flughafensprintgruppe, aber auch sonst dringen kaum Geräusche, wie ich sie von anderen Flughäfen kenne an mein Ohr.

25 Minuten nach der Landung sitze ich in einem nach Jasmin duftenden Auto, ein Mineralwasser in der Hand, Levi schnarchend neben mir. Das komplette Gepäck in Null Komma Nichts verstaut. Markus auf dem Beifahrersitz. Ich bin so unter Strom, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll. Also herrscht Schweigen während wir auf dem Aiport Express Highway durch die Nacht brausen.
Wow. Chinesische Perfektion.

Und so geht es weiter. Alles wirkt wohldurchdacht. Die Straßen, die warme Beleuchtung, die Hochhäuser. Kein Funke wuseligen Chaos. War wahrscheinlich eine geniale Idee, abends um 23 Uhr in Peking zu landen und nicht mittags um 12. 

35 Minuten später kommen wir in der Hotellounge an, 5 Minuten später sitzen wir mit zwei Bier auf dem Balkon unseres Zimmers, lassen uns die laue Pekinger Nachtluft in Sanlitun Li um die Nase wehen und grübeln darüber, warum den Deutschen Prozeßoptimierungs- und Organisationstalent nachgesagt wird.

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