Wir sitzen in der Restaurantjurte und frühstücken. Neben uns
eine Gruppe Asiaten, woher die kommen, wissen wir noch nicht, sowie zwei
amerikanische Männer – ein Älterer so um die Ende 50 und ein Jüngerer so Mitte
20.
Levi krabbelt die Jurte ab, bleibt
an jedem Tisch stehen, zieht sich an einem Stuhlbein in den Stand und begrüßt
die Runde. Dann entdeckt er die Schwingtür zur Küche, krabbelt hin, stößt
dagegen und schaut hinein. Aufgeregtes begeistertes Quicken aus dem Kücheninneren. Dann
die Köpfe drei junger Frauen, die auf
mongolisch versuchen, Levi in die Küche zu locken. Der ziert sich noch. Kommt
schnell zu unserem Tisch und zieht sich an meinem Bein hoch. Das wiederholt
sich gefühlte 600 Mal, bis eine der drei Mongolinnen eine Entscheidung fällt.
Es ist Bonita. Sie leitet das Camp, obwohl sie erst 17 ist. Hat alles im
Griff. Mit einem Dauerlächeln im gesamten Gesicht, das hochinfektiös ist. Sie
hat einen birnenförmigen Kopf, kleine Augen und immer streng nach hinten
gebundene schwarze Haare. Zu jeder Mahlzeit, die sie serviert, trägt sie eine
andere Tracht in meist glänzenden goldenen, roten oder blauen Stoffen. Sie ist
objektiv betrachtet keine Schönheit, aber das ist völlig egal. Diese junge Frau
hat eine so positive, einnehmende Ausstrahlung, dass ich überzeugt bin, dass
die Schlange mongolischer Männer von hier bis Ulan Batar und zurück reicht, die
um sie werben. Mindestens
Gestern konnte ich beobachten, wie sie mit einem
altehrwürdigen mongolischen Yakkarrenführer geschimpft hat, als der den Yak
samt Karren fast über die gerade angekommene Lieferung von Eiern geführt hätte.
Also, von wegen Respekt vor dem Alter.
Die Eier und alle weiteren Lebensmittel werden einmal pro
Woche per Auto aus Ulan Batar bis zum Campparkplatz gefahren, dort ausgeladen
und dann auf den Yakkarren verladen, einer Art überdimensionierter Schubkarre
aus Holz, die von einer überdimensionierten zotteligen Kuh gezogen wird, welche
ihrerseits von besagtem Yakkarrenführer die 200 Meter bis zum Küchenzelt
gebracht wird. Das alles in Begleitung
aller mongolischer Campangestellter und unter den wachsamen Augen Bonitas.
Und jetzt ist Levi weg. Seit 15 Minuten schon. Sie kam,
lächelte ihn an, er lächelte zurück, sie hob ihn auf, er hat sich nicht
gewehrt, im Gegenteil, er hat sich mit seinen kleinen Beinen an sie geklammert,
sie trug ihn weg. Durch die Schwingtür, in die warme, duftende Küche. Seit die
Schwingtür sich hinter den beiden ausgeschwungen hat, ist es in der Küche
ungewöhnlich laut. Ein Stimmengewirr, nur unterbrochen durch Levis glückliches
Quitschen und Glucksen.
Und Markus und ich genießen unser Frühstück. Ohne darauf
achten zu müssen, ob Levi dem heißen Metallofen, der in der Mitte der Jurte
steht zu nah kommt. Oder ob er bei seinen Gehversuchen auszurutschen und in ein
schmerzhaftes Objekt zu fallen droht.
Dennoch – normalerweise wird er nach einigen Minuten ohne
Sichtkontakt unruhig, plärrig. Aber jetzt. 20 Minuten und nichts dergleichen. Was machen die wohl mit ihm??? Egal.
Ich hole mir noch einen Tee, strecke die Beine aus und
genieße das für mich und uns sein. Solange sie ihn wiederbringen. Sie bringen ihn doch wieder?
Nach 25 Minuten stösst eine kleine Hand die Schwingtür auf
und der dazugehörige Körper krabbelt raus. Einen Meter vor unserem Tisch bleibt
er stehen, setzt sich hin. Sein Mund ist verschmiert mit allen möglichen
Farben. Stolz zeigt er uns ein kleines Stück Schokolade, bevor er es
in seinem Mund verschwinden lässt. Soviel zum Thema im ersten Lebensjahr kein Zucker. Was solls. Wir haben ihn wieder.
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