Heute wollen wir auch nicht Kamelreiten. Aber einfach in die
Felswüstensteppe hineinwandern, irgendwo hinsetzen, rumhängen, picknicken. Auf die Frage, wohin wir denn gehen können oder sollen
ernten wir trotz Übersetzerin nur verständnisvollen Achselzucken und Lachen.
Das Konzept des Wanderns scheint tatsächlich ein westliches,
wenn nicht rein deutsches Phänomen zu sein.
Nichtsdestotrotz haben wir es geschafft, unser Lunch in
Boxen abgefüllt nach dem Frühstück schon zu bekommen, zwei kalte Flaschen Bier
und ganz viel Wasser in meinem grünen Deuter Rucksack mit der gelben Blume zu
verstauen und los zu stiefeln. Da das Camp in einer Art von Felsen gebildeten Kessel vom
Wind geschützt aufgebaut ist, ist es nach 15 Minuten gemütlichen Laufens schon
nicht mehr zu sehen. Cool. Unheimlich. Kein Geräusch, nur ein bisschen Wind, eine kleine Gruppe Wildpferde,
das war´s. Wir sollen Ausschau halten nach einer seltenen Art von Springböcken.
Machen wir. Nichts zu sehen.
Der Beschluß, schnurgerade nur in eine Richtung zu laufen
scheitert relativ schnell an der Bodenbeschaffenheit und an den faszinierenden Felsen,
Hügeln und vermuteten Blicken dahinter.
Also fangen wir an, Steine aufeinander zu schichten. Wie es
überall auf der Welt von Wanderern gemacht wird. Je östlicher man reist, desto
mehr wird insbesondere von westlichen Reisenden etwas Mystisches in die
Steinmännchen hineininterpretiert. Ist mein Eindruck. Da ist aber nichts dran,
hat mir Niraj, ein nepalischer Freund, bestätigt. Nach 30 Minuten bin ich wirklich
froh über diese weltliche Orientierungsfunktion.
Lass uns auf einen Hügel steigen, um das Camp zu orten. Nur
um sicher zu gehen, schlage ich vor.
Kaum stehen wir oben, stellen wir fest, dass es sich ca. 30
Grad weiter rechts befindet, als vermutet.
Komm, wir prägen uns die Felsformen ein, schlägt Markus vor. Also einigen wir uns auf einen Felsen, einer schließt die
Augen dreht sich im Kreis, öffnet die Augen und versucht, den Felsen zu
identifizieren. Wir scheitern beide.
Levi beobachtet das alles aus großen Augen und mit
kritischem Blick. He looks a bit grumpy, he does not seem to like me? hat jetzt schön öfter jemand zu mir gesagt.
Oder auch in der deutschen vorwurfsvollen Variante: Ihr Sohn starrt mich so an!
Beispielsweise im Tengelmann an der Fisch- und Käsetheke, beim Warten. Ist einfach nur sein Gesicht, hat er von seinem Vater
geerbt, denke ich. No, no, he is ok, habe ich jedes Mal lachend geantwortet.
Und gedacht, dass viele Menschen selbst durch ein kritisch dreinblickendes Kind
schon zu verunsichern sind. Finde ich
schon überraschend.
Also machen wir Fotos. Wandern nach Bildern. Das mit der intuitiven Wegfindung
überlassen wir lieber den Mongolen. Wir erhöhen zusätzlich die Frequenz, mit der wir einen Hügel
besteigen, nur um sicher zu gehen. Das Laufen durch diese monotone, absolut geräuschfreie
Felswüste ist enorm beruhigend. Ich kann meinen Puls hören, bin mir meines
Atmens total bewusst. Und gleichzeitig ist da die permanente latente Sorge,
verloren zu gehen.
Aufregend.
Als wir einen geschichteten Felsen sehen, der eine Art
Überhang bildet und somit Schatten spendet, lassen wir uns erleichtert nieder,
essen und trinken und schauen in die Sandmonotonie. Levi untersucht die
Konsistenz des Sandes und der sich darin befindlichen Steinchen. Manchmal hat
er es wirklich schon drauf, nicht alles weg zu schnuckern sprich in den Mund zu
stecken. Das Ding ist nur, sobald ich mich darauf verlasse hat er
garantiert wieder irgendetwas im Mund, dass ich mit sofortigem Erstickungstod
assoziiere. Selbst die sanfte Monotonie kann diesbezüglich weder auf Levi noch
auf mich besänftigend einwirken.
Die Wildpferde haben uns entdeckt. Sie schauen alle in
unsere Richtung. Wir schauen zurück. Die Pferde entscheiden, etwas weiter von uns entfernt auf
einen Felsen zu klettern und oben weiter an dem vertrockneten Gras herum zu
kauen.
Als wir etwas später denselben Hügel besteigen meint Markus,
einen riesigen See auszumachen. Sieht auch wirklich so aus. Mit helleren und dunkleren
Farben. Wie Wellen. Nur ändert der See langsam, aber sicher die Form des Ufers.
Das ist der Schatten der Wolken, sage ich, halb überzeugt.
Markus schaut mich belustigt an.
Nein, das ist ein riesiger See, lass uns hinlaufen.
Ist mir zu weit, sage ich.
Also setzen wir uns oben auf dem Hügel erneut hin und
beobachten, wie der See sich langsam aber sicher von uns entfernt.
Als die Abenddämmerung einsetzt haben wir das letzte
Steinmännchen gefunden und können die weißen Jurtendächer durch die Felsen
blitzen sehen. Auf dem höchsten Felsen neben dem Camp blitzt etwas in der
untergehenden Sonne. Wie die Reflexion von Glas. Dann erkennen wir noch einen
Hund. Der Campmanager hält mit Fernglas nach uns Ausschau. Als wir ihm winken verschwindet das Funkeln.
Great!
What did you see?
Nothing!
Aaaaahhh?!
Worauf hin er kurz verschwindet und mit zwei Händen voller
Steinen wiederkommt, Halbedelsteinen, die man alle hier in der Gegend finden
kann.
Mongolia is a rich country, sagt er.
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