Was auch immer das im übertragenen Sinne bedeutet – ganz
real ist es uns heute passiert.
Mit warmen Füssen und der Sonne im Gesicht den ersten Tee
schlürfen, während Levi noch zufrieden schnarcht, eingewickelt in seinen
Fleeceanzug und unter drei Decken. Nachts wird es verdammt kalt. Um die Null
Grad. Hinter dem Ofen steht ein orange angestrichenes
Holzdoppelbett, rechts und links davon ein Tisch mit niedrigen Hockerstühlen
sowie ein hölzernes Schränkchen mit eingebautem Waschbecken. Der Kanister, an
dem der Spiegel befestigt ist, muss manuell mit Wasser befüllt werden. Auf dem
Boden kniend habe ich, mich im Spiegel betrachtend, heute morgen die Zähne
geputzt. Das Grinsen ist mir seitdem nicht mehr aus dem Gesicht gefallen. So unglaublich einfach und
schön.
Nachdem wir die sternenklare Nacht vor unserer neuen Jurte
verbracht und uns langsam die Wünsche ausgingen bei all den Sternschnuppen –
weder in der Serengeti noch im Landesinneren von Australien war der
Sternenhimmel so beeindruckend und romantisch, meiner subjektiven Meinung nach
– haben wir ihn heute beim Frühstücken das erste Mal gesehen. Neugierig ragte
eine ca. 95 cm über dem Boden schwebende kleine Rotznase hinter der Tür aus der
Restaurantjurte nach draußen. Vermutlich sind wir die ersten Gäste, die die
kleinen niedrigen Holztische aufgrund des wunderbaren Sonnenwetters nach
draußen gestellt haben und genüßlich in der Sonne Frühstücken. Dass wir derzeit
die einzigen Besucher des kleinen 10-jurtigen Camps sind macht die Sache noch
ein bisschen schöner. Abenteuerlicher.
Das Frühstück ist überraschend gut: Müsli, Tee, ein bißchen
Obst, Brot, Käse, Rührei. Komisch, dass in jedem Reiseführer vor den basalen
und fleischlastigen mongolischen Essmöglichkeiten gewarnt wird und wir deswegen
eine riesige Auswahl an vollkornigen Müsliriegeln dabei haben. Aber heute ist ja auch der erste Tag weit weg
von Allem, mal schauen, wie lange die Vorräte halten.
Zur Nase gehört ein nackter kleiner Junge, dessen Füsse in
hellblauen Gummilatschen stecken. Der Sohn des Campbetreiberpaares. Er ist zwei
Jahre alt, soviel haben wir aus der rein mongolisch-zeichensprachigen
Unterhaltung mit den Eltern verstanden. Levi lässt sofort seinen Löffel fallen, zappelt sich von
Markus Schoß runter und krabbelt auf den kleinen Mongolen zu. Freudig quickend.
Der rennt darauf hin ins Innere der Restaurantjurte, versteckt
sich hinter den Beinen seines Vaters, der gerade Joghurt bringen möchte, und
fängt jämmerlich an zu weinen. Manche interkulturellen Freundschaften brauchen Zeit.
Das Camp steht zwischen urzeitlich anmutenden
Fels-Sandstein-Formationen. In der Nähe wurden Dinosaurierfunde gemacht. Auch
eine nukleare Forschungsstation, hier wird Uran abgebaut, muß ich später mal
googeln, ob ich das richtig verstanden habe, in der russische, deutsche und
mongolische Forscher gemeinsam arbeiten gibt es in der Nähe. In der Morgen- und Abenddämmerung färben sich
die Felsen, deren unterschiedlich farbige Schichten aussehen, als sei das
Meer gerade eben erst abgeflossen, in allen erdenklichen und sehr
beeindruckenden Rottönen. Wie bei den Flaming Cliffs, sagt der Vater stolz. Und
ob wir heute Kamelreiten wollen. Und deutet auf die zwei dazugehörigen
höckrigen Geschosse, die in 100 Metern Entfernung gemütlich grasend ihrerseits
ihr Frühstück zu sich nehmen. Maybe tomorrow. Wir sind mit Rumsitzen und Camp
genießen erst einmal ausgelastet.
Unsere Gastjurte ist genauso groß, wie eine normale
Nomadenjurte, geschätzte 4-5 Meter Durchmesser. Der Boden ist mit einer in
Parkettoptik bedruckten Folie ausgelegt. In der Mitte steht ein Ofen, dessen
Rohr in der Mitte des Jurtendaches nach draußen führt. Das Jurtendach ist in
der Mitte öffenbar, in einer Falt-Wickeltechnik auf Basis von zwei Stricken,
die außerhalb der Jurte vertaut werden – wenn das Dach geschlossen ist neben
dem Eingang, sonst auf der hinteren Seite. Heute morgen, als wir noch im Bett
lagen, hat ein nettes mongolischen Mädchen unseren Ofen angezündet und das Dach
geöffnet.
Zum Camp gehören zwei Toilettenhäuschen, eines am Eingang
zum Camp und eines am anderes Ende, sowie zwei Duschjurten. In der Mitte der Duschjurte steht ein etwas
größerer mit Holz und getrocknetem Kuh- bzw. Yakmist befeuerter Ofen, auf dem
ein riesiger Metalleimer mit Wasser thront. Weiterhin befinden sich drei mit kaltem Wasser befüllte beulige
Eimer und zwei riesige wie Wasserpistolen anmutende Platikgeräte, Handtücher
und Platiklatschen in der mongolischen Dusche.
Alles, was man braucht, sozusagen.
Heißes und kaltes Wasser werden in die Wasserpistole
eingefüllt, dann wird gepumt, die Platikpistole ist in Wirklichkeit eine
Fahrradpumpe mit Duschkopf statt Ventil, der Duschkopf am Jurtendach befestigt
und los geht’s. Beim ersten Mal verbrenne ich mich fast, beim zweiten Mal
ist es zu kalt, aber dann geht’s.
Aber das Highlight des Tages ist die Platikwanne, die Levi
leihweise von dem kleinen schüchternen mongolischen Jungen bekommt. Orange, mit
rutschfestem Boden. Bei Baby-Walz gibt es keine besseren . Wir füllen die Wanne im Duschzelt mit hoffentlich 38 Grad
warmem Wasser, setzten Levi hinein und tragen sie in die Nachmittagssonne. Der
fängt sofort vor Glück an zu zappeln und zu plantschen und zu spritzen. Hinter
der Duschjurte machen wir eine kleine Nasenspitze aus. Mehr nicht.
Wird schon noch.
Der sanfte mongolische Wind erzeugt kleine Wellen und
insbesondere die dadurch entstehenden immer neuen Sandformationen direkt vor
der Wanne erregen Levis Aufmerksamkeit. Leider nicht Markus`.
Durch den Sucher meiner Kamera kann ich aus 15 Metern
Entfernung alles genau beobachten. Levi steht auf. Sein kleiner nasser Körper
funkelt in der hellen mongolischen Sonne. Er beugt sich vor, greift nach dem
vorbeiwirbelnden Sand, kippt nach Vorne,
die Wanne kann seinen stattlichen 9,6 Kilo nicht Stand halten und kippt
ihrerseits nach vorne. Und so liegt Levi im mongolischen Matsch. Erst weniger dann
zunehmend begeistert. Dann spritzt es zu allen Seiten. Das zur Nasenspitze
gehörende Gesicht lacht, als wir in der Duschjurte verschwinden, in der
Hoffnung, dass das Wasser noch nicht komplett verkocht ist.
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