Mittwoch, 28. September 2011

Markus kommt

Das gesamte Gepäck ist verstaut. Seit 6 Uhr in der Früh. Levi steckt in seinem Fleeceanzug, liegt im Maxi Cosi und schläft. Der Samovar ist runtergefahren und produziert derzeit nur noch kaltes Wasser. In freudiger Erwartung der Einfahrt in den Bahnhof von Ulan Batar. Um 6.35 Uhr.
Aber: der Zug steht. Jetzt schon. Seit 10 Minuten.
Ich sitze im Gang, die Tür zu meinem Abteil einen Spalt breit geöffnet.
In den anderen Abteilen herrscht hektisches Packen. Im Gang ist noch alles ruhig.
Nur das metallische Geräusch von außen irritiert ein wenig. Schraubt da jemand?
Egal. Die Sonne geht gerade auf hinter den sanft geschwungenen Hügeln der Mongoei. Alles ist sanft und bronze-braun.

Seit Ulan Ude ist die Landschaft statt durch Birken-Monotonie durch zunehmend fremdartige Steppenhügellandschaft geprägt. Vorfreude und Aufregung haben sich mit jedem weiteren Kilometer in meinem Körper ausgebreitet.
Jetzt, wo wir hier schon 45 Minuten stehen – der Gang hat sich gefüllt und ist mittlerweile wieder leer – alle zurück im Abteil – schlafen oder lesen – nur ich sitze noch hier und schaue auf die steigende Sonne und die Jurte in der sich vor mir ausbreitenden Steppenlandschaft, kann ich es kaum noch aushalten. Alles strahlt. Diesig. Weichgezeichnet. Ich zittere innerlich. Vorfreude. Auf die Mongolei. Auf Markus. Eine weitere Etappe unserer abenteuerlichen Reise.

Der mongolische Waggonschaffner stöhnt und schimpft vor sich hin. Irgendwann verstummt das Schrauben und der Zug setzt sich mit einem Ruck, der mich fast von meinem Klappsitz in den Gang schleudert, in Bewegung.
Mit drei Stunden Verspätung, Levi ist mittlerweile wach, rollen wir in den Bahnhof ein.
Manfred trägt meinen Koffer, Irene Levis Kinderwagen.
Übermorgen sind sie in Peking, einige Tage später in Lhasa. Ich wünsche alles Liebe und viel Inspiration bei der Suche nach den gestellten Fragen.

50 Minuten später sitzen Levi und ich auf der Holzterasse vor unserer Jurte des HS Khaan Resort.
Levi schläft, ich habe eine Flasche Bier in der Hand. Irgendwie bin ich vom Weinliebhaber zum Biertrinker geworden in den letzten Tagen und Wochen. In der Ferne sehe ich eine sich auf uns zubewegende Staubwolke. Dasselbe graue Auto, dass uns hierhergebracht hat, nähert sich nun erneut.
Mit Markus an Bord. Wie das wohl wird? Leichter? Schöner? Oder bringt er erst einmal unser eingespieltes Transsibteam durcheinander?

Ich stehe auf, winke, lache. Setze mich wieder hin. Lehne an der Jurte, mit geschlossenen Augen, der Sonne im Gesicht. Höre Schritte, sehe ein breites Grinsen in einem müden Gesicht. Höre ein sanftes Murmeln aus dem Inneren der Jurte. Levi und Markus kommen sozusagen gleichzeitig an.
Levi sieht Markus und versteckt sich auf meinem Arm hinter meinem Rücken. Linst hervor, dreht den Kopf wieder weg, linst wieder vor. Markus streckt die Arme aus, nimmt Levi auf den Arm. Der fängt an zu weinen. Ich nehme ihn zurück, die Krokodilstränen rollen noch, die Unterlippe zittert. Markus schaut irritiert. Levi schaut neugierig auf Markus. Markus nimmt ihn wieder auf den Arm, Levi heult. Zurück auf meinen Arm.
Nach gefühlten 100 Mal hin und her zwischen unseren Armen ist Levi erst einmal hungrig.

Wir sitzen – jetzt zu Dritt – vor der Jurte in der Sonne – und essen. Levi Hipp-Gläschen Inhalt reloaded – Markus ist die Supply chain und hat Babyfutter, Windeln und Feuchttücher im Gepäck – wir mongolische Teigtaschen gefüllt mit Rindfleisch.
Außer Levis sanftem Schmatzen und dem leichten warmen Wind ist nichts zu hören.

Markus hatte einen Tag Aufenthalt in Peking und hat sich zusammen mit dem Hotelmanager des "The Opposite Hotels" das Nachtleben um die Ohren geschlagen. Mir sitzen die kurzen Nächte am Baikalsee und in der Eisenbahn in den Knochen. Markus ist noch voller Jobthemen, ich voller Erinnerungen und Eindrücken vom Baikal und der Eisenbahn.
Gefühlt könnten die Gegensätze nicht krasser sein.

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1 Kommentar:

  1. Ich bin ganz begeistert, wie ihr das mit dem Reisen meistert. Das ist großartig und sehr inspirierend, finde ich. Ich freu mich jetzt wahnsinnig auf unseren Südtirol Familienurlaub. :D

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