Donnerstag, 15. September 2011

Ich verstehe sie nicht, die Russen...

Sie hat mich angebrüllt. Und die Tür hinter mir und Levi geknallt! Und sie heisst auch noch Julia.
Im Reflex fluche ich zurück und knalle  meinerseits mit der Tür. Ich habe ja von der russischen Eigenart gelesen, immer grimmig gelangweilt dreinzuschauen und viel zu schimpfen. Die grimmigen Gesichter begegnen uns auch, auf den Bahnsteigen. Oder wenn Reisende andere Waggons an uns vorbeiziehen, an Levi vorbeibalancierend, denn der Gang ist ja sein Spielplatz, auf dem Weg ins Restaurant. Aber Schimpfen?!

Dabei hatte ich es nur gewagt, nach 20 sekündigem Warten doch lieber aus dem scheppernden Nichtraum zwischen zwei Waggons herauszuwollen - obwohl die andere Julia den Gang davor gerade fegt.
Mit russischen Gesichtsausdruck. Olga lächelt dabei immer und unterbricht saugen oder fegen, wenn Levi mit seiner Weltkugel vorbeidribbelt.

Jetzt sitze ich im Restaurant und mein geamtes Repertoire an Zugromantik ist auf und davon. Am meisten ärgert mich, dass ich auch geflucht und Türen geknallt habe. Müssen die russischen Gene sein. Quod erat demonstrandum...

Levi ist mit einem Strohalm beschäftigt und überlässt mich meinen Gedanken. Super, gerade wenn ich Ablenkung, selbst in Form von Beschwerdemähs! gebrauchen könnte...

Der Zug fährt in Krasnojarsk ein und schlagartig bin ich versöhnt. Das Gefühl, dass je näher wir Irkutzk kommen, desto mehr habe ich den Eindruck in die Zivilisation zu fahren und nicht umekehrt, findet hier seinen bisherigen Höhepunkt. Sibirien. Ab hier fühlt es sich fuer mich sibirisch an. Keine Ahnung warum. Aber der Gedanke schiesst durch meinen Körper. Und Sibirien fühlt sich dabei warm und vertraut an. Die Brücken, die wir um Krasnojarsk überqueren, die ewig breiten Flüsse, der Dunst darüber, die Steilen Hügel, von Datschas durchzogen, die kleine blaue Holzkirche...das erste Mal bedaure ich, erst am Baikal auszusteigen. Hierhin will ich nochmal.

Nach 30 Minuten Freigang auf dem Bahnsteig krabbeln wir unter Olgas wachsamen Blick zurück in unser Abteil. Es rattert. Julia. Mit ihrem Wägelchen. Wasser, Kaffee, Schokolade, Joghurt. Braucht niemand. Ich schaue sie an, kaufe Schokolade, Joghurt, Wasser, zahle, sie lächelt, ich lächle, sie streicht Levi über den Kopf. Ich verstehe sie nicht, die Russen. Aber ich mag sie.

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3 Kommentare:

  1. Nette Geschichte. I like :-)))

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  2. Respekt - Traumreise. Es am mir schon wie eine Weltumrundung vor, als wir im letzten Sommer mit unser Kleinen (1Jahr und 8Monate) mit dem Zug an die Wolga fuhren.

    Sorry, aber sowas kann doch überall passieren.

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  3. Einfach der Hammer, was ihr zusammen erlebt habt. Ganz anders als mein klassischer Wellnessurlaub Südtirol. Aber Menschen sind ja zum Glück ganz unterschiedlich. :D

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