Levi und ich sitzen auf der Terrasse des Commune by the Wall
Restaurants und loungen in der Mittagssonne. Nach den realen und emotionalen
Abenteuern der letzten Tage und Wochen ist mir irgendwie nach mit der Sonne um
die Wette strahlen. Zum Glück scheint es Levi ähnlich zu gehen. Er erkrabbelt
sich in aller Gemütlichkeit die verschiedenen Blumenbeete, die nach Provence
duften und nach Südfrankreich mit einem Schuss chinesischer Gartenkunst
aussehen: alles ist thymianig-buschig, durchzogen von lila und
dunkelrosefarbenen Blüten, gekrönt von bambusartigen Wedeln, die mich an Sylter
Strandgras erinnern. Und es duftet nach
Lavendel mit einer Prise Zitronengras. Hmmmm.
Ganz weit im Hintergrund meines Bildauschnittes sehe ich die
chinesische Mauer – also mit Ecken verzierte Bergkuppen. Gerade als ich
anfange den intensiven Kontakt zu anderen Menschen zu vermissen, so wie wir
ihn im Zug, oder mit Natasha am Baikalsee, aber auch in der Mongolei mit den
Campmanagerfamilien und anderen Gästen erlebt haben und darüber nachdenke, dass
ich uns für den Abschluß unserer Reise noch eine Unterkunft mit chinesischem
Familienanschluß suchen sollte, steht Stella vor mir. Levi sei soooo cute! sagt
sie. Dann kniet sie sich vor ihn hin, breitet die Arme aus und erwartet, dass
er zu ihr geflogen kommt. Macht er aber nicht. Sie spielt die fröhlich
Beleidigte und versucht es immer und immer wieder. Dann fragt sie, ob wir was
bestellen mögen. Es gibt Wasser und Gemüse für Levi sowie einen Tee für mich.
Als sie alles vor mir aufgebaut hat, greift sie Levi und
entführt ihn zu einem besonders schönen Blumenbeet. Für den kam der Überfall so
blitzartig, dass er nicht mal Zeit hatte, sich zu beschweren. Nur seine
kritische Stirnfalte kann ich aus der Entfernung noch erkennen. Als ich schwanger war, habe ich es mir genauso vorgestellt.
Einfach so weiterleben wie bisher. Nur bereichert durch ein Kind. Reisen,
andere Leute kennenlernen. Lesen in der Sonne, das Kind spielt daneben. Markus
und ich arbeiten fast normal weiter, nur genauso viel weniger, wie wir es eh
reduzieren wollten. Suuuuper, dachte ich darum, als ich schwanger war. Jetzt
wird alles noch schöner, relaxter und das Baby ist halt mit dabei.
Und nun sitze ich hier, mit Levi, an der chinesischen Mauer.
Die Transsib mit abenteuerlichen Stopps am Baikalsee und in der Mongolei liegen
hinter uns. Aber: der Schritt dahin war nicht so einfach, wie gedacht, denn:
ich kannte niemanden, der so lebt, wie ich es mir gewünscht habe. Und das
verunsichert schon. Insbesondere, wenn das Baby dann da ist. Und Viele davon
berichten, dass von nun an alles anders sei. Und insbesondere Reisen erst mal
unmöglich sei. Es sei denn, man will zur Ostsee. Oder maximal auf die Kanaren.
Aber auch der Alltag zu Hause: Irgendwie schwebte mir mehr
oder weniger bewußt das skandinavische Modell vor: Mann und Frau arbeiten halb-
bis dreivierteltags, kümmern sich gemeinsam, und haben Hilfe beispielsweise in
Form von Babysittern, um auch Zeit für sich und füreinander zu haben. Nur
leider kenne ich so wenig Menschen, also eigentlich niemanden, der so lebt. Und
daher habe ich immer gezweifelt, ob es funktionieren kann. Für mich. Für uns.
Wieviele Kinder ich habe, fragt Stella und unterbricht meine
Grübelei. Levi sitzt auf ihrer Hüfte und rupft an einer Blume herum. Eines, sage ich, dankbar für die
Unterbrechung. Stella nickt verständnisvoll. In China haben auch viele Menschen
nur ein Kind, sagt sie. Und: Aber einige Menschen hätten gerne mehr. Wieviele
Kinder sie denn möchte, frage ich. Sie lacht. Ich weiß nicht, sagt sie. Keines,
eins oder zwei.
Im Moment wird in China diskutiert, die Ein-Kind-Politik zu
Gunsten einer Zwei-Kind-Politik aufzugeben, habe ich gelesen. Überalterung
droht und Probleme bei der Rentenversorgung. Außerdem führt die
Ein-Kind-Politik zu schwierigem Sozialverhalten bei den Kinder-Königen, die bis
zur Einschulung von ihren Eltern total verwöhnt und dann mit übermäßig
ehrgeizigen Plänen traktiert werden. Schule, Musik, Sport, Forschungsprojekte.
Keine Zeit für Freunde oder Spielen. Meist geht mit der Verwöhnung auch zu viel
Essen und somit zunehmende Fettleibigkeit einher, habe ich gelesen. Außerdem
fehlen geschätzten 20 % der jungen Männer eine Frau, da Söhne bei der bisher
vorherrschenden Politik bevorzugt wurden und so Mädchen abgetrieben,
weggegeben, ich will gar nicht darüber nachdenken, wurden.
Also sind chinesische Männer eine echte Alternative für
westliche weibliche Dauersingles?
Chinesische Männer seien sehr verwöhnt, sagt Stella. Von ihren Müttern. Will sie deswegen
vielleicht keine eigenen Kinder? Ich träume davon zu reisen, sagt sie. Und mit
Kind sei das doch sicher schwierig? Ach sage ich, das geht schon. Man muß es
einfach machen, dann findet sich vieles. Und lächle sie an.
Ich finde es erstaunlich, wie unterschiedlich Familie in anderen Ländern definiert und aufgefasst wird. Ich könnte mir zum Beispiel gar keine EIn-Kind-Politik vorstellen.
AntwortenLöschenDie Einking-Politik ist in meiner Vorstellung gar nichts für mich. Wenn man eine gute Beziehung führt und mehr Kinder möchte, sollte das auch möglich sein.
AntwortenLöschenLG aus Brixen Südtirol